Die Römische Flotte (Classis Augusta Germanica) in Germanien

 

Das römische Köln, die Colonia Claudia Ara Agrippinensium, war nicht nur die Hauptstadt der Provinz Niedergermanien, sondern besaß auch als bedeutendes Wirtschaftszentrum und als Handelsplatz überregionale Bedeutung. Dabei diente der Rhein als wichtigster Verkehrsweg für den Abtransport der in Köln erzeugten Gläser, Keramiken und sonstigen Produkte, aber auch für den Import von Gütern aller Art. Daß der Strom als Grenze des Imperiums auch unter militärischem Schutz stand und daß es in Köln auch ein bedeutendes Militärlager gab, wird bei der Betrachtung eines so bedeutenden zivilen Zentrums wie Köln oft vergessen. Dabei befand sich in Köln auch ein großes Truppenlager, das Hauptquartier der römischen Kriegsflotte in Germanien (Classis Augusta Germanica), das einzige römische Flottenlager auf deutschem Boden.

 

Die Geschichte der Römischen Rheinflotte beginnt in der Zeit der augusteischen Germanienoffensiven ab 13 v. Chr. Seitdem wurden vom römischen Oberkommando am Rhein nicht nur Legionen und Hilfstruppen konzentriert, von Anfang an waren auch Flotteneinheiten an den Operationen des römischen Heeres beteiligt. Zu Beginn waren die Einsätze der römischen Flotte oft offensiv geprägt: So erfahren wir immer wieder von verschiedentlich durchgeführten Landeunternehmen römischer Truppen an der Nordseeküste, die mit entsprechenden Operationen der Landarmee kombiniert waren.

 

Noch wichtiger als der Kampfeinsatz war seit der Zeit der augusteischen Germanienoffensiven der logistische Einsatz der römischen Flotte: Von Xanten aus, das damals wohl der wichtigste Basishafen war, mußten die römischen Militärlager an der Lippe auf dem Wasserweg versorgt werden. Diese Lippelager weisen auch vielfach befestigte Anlegestellen auf: Das Uferkastell von Beckinghausen diente als Anlegeplatz für das große Lager von Oberaden, in Haltern ist mit der mehrphasigen Anlage an der Hofestatt ein befestigter Anlegeplatz am Lippeufer nachgewiesen worden, in dem es Speicherbauten und wohl auch Schiffshäuser zum Überholen und Überwintern von Schiffen an Land gab. Auch für das große Lager von Anreppen an der Lippe wird ein Güter - und Militärhafen angenommen.

 

Mit der Aufgabe der Eroberungspläne rechts des Rheins durch Tiberius im Jahr 17 n. Chr. verändert sich auch die militärische Aufgabe der Classis Germanica. Sie wurde nun vor allem zu Patrouillenfahrten auf dem Rhein herangezogen, Operationen auf der Nordsee treten nun stark in den Hintergrund. Mit der Regierungszeit der Flavier seit dem letzten Drittel des 1. Jhs. war an der Rheingrenze weitgehend Ruhe eingezogen. Dem entspricht auch die Tatsache, daß nun fast alles, was wir über die Aufgaben und Aktivitäten der Classis Germanica wissen, nicht kriegerischer, sondern friedlicher Natur ist: Die Flotte kümmert sich neben dem Wachdienst auf dem Rhein vor allem um die Gewinnung und den Transport von Baumaterial, eine wichtige Aufgabe in der nördlich der Mittelgebirgszone steinarmen Provinz Niedergermanien. Dies bezeugen etwa Ziegelstempel der Truppe, die bis in die Niederlande vorkommen und Weiheinschriften aus den Tuffbrüchen des Brohltals. Auf den Steinbruchbetrieb am Drachenfels bezieht sich eine Inschrift aus Bonn, die aus dem dort gebrochenen Trachyt besteht und von Steinlieferungen der Flotte für den Bau des Forums in Xanten berichtet. Im letzten Drittel des 3. Jhs. n. Chr. ist dann die Classis Germanica, wohl im Kampf mit den Franken, untergegangen und verschwindet aus der Überlieferung. 

 

Quelle: Prof. Dr. Thomas Fischer